Bina aus Nepal: Aufgewachsen im SOS-Kinderdorf

05.06.2024 Betreuung & Schutz

Lernen Sie Bina aus Nepal kennen. Die heute 55-Jährige ist eines der ersten Mädchen, das im SOS-Kinderdorf in Nepal aufgewachsen ist.

Mitgefühl von klein auf

Bina wurde am 17. März 1969 geboren, lernte ihren Vater jedoch nie kennen. Er verliess sie und ihre Mutter kurz nach ihrer Geburt. Ein harter Schlag für ihre Mutter, die als Arbeiterin ohne familiäre oder soziale Unterstützung auf sich selbst gestellt war. Als Bina fünf Jahre alt war, verstarb ihre Mutter bei einem tragischen Unfall. Kurz darauf wurde Bina 1974 im SOS-Kinderdorf in Sanothimi in Nepal aufgenommen, da sie das einzige Familienmitglied verloren hatte, das ihr noch geblieben war. Im SOS-Kinderdorf verbrachte sie knapp 18 Jahre. Nach ihren prägenden Erinnerungen gefragt, erzählt Bina: «Ich verbinde so viele schöne Erlebnisse mit meiner Kindheit, aber eine Erinnerung ist mir besonders ans Herz gewachsen. In Sanothimi besuchte uns regelmässig ein Arzt für die medizinischen Routine-Untersuchungen und einfache Behandlungen. Da ich daran schon früh sehr interessiert war, durfte ich ihm immer wieder assistieren. Ich durfte die Rezepte lesen und danach die verschriebenen Medikamente an die Mütter und Kinder des Dorfes sorgfältig verteilen.» Schon damals empfand Bina diese Erfahrung als sehr erfüllend, da sie anderen Menschen helfen konnte und etwas lernte. Rückblickend nimmt sie das Aufwachsen im SOS-Kinderdorf als grossartige Lektion für das Leben wahr. Ihre SOS-Mutter im SOS-Kinderdorf nahmen sich Zeit, ihr Häkeln und Kochen beizubringen. Ausserdem motivierten und ermutigten sie Bina immer wieder, wofür Bina heute noch dankbar ist.

Dieses Projekt hilft, folgendes UN-Nachhaltigkeitsziel zu erreichen:

Auf dem Weg in die Zukunft

Bina begann ihre Karriere in der postoperativen Station des Entbindungszentrums im Tribhuvan Universitätsspital in Kathmandu, nachdem sie das SOS-Kinderdorf in Sanothimi als junge Erwachsene verlassen hatte. «Dort konnte ich wertvolle Erfahrungen in der Patientenversorgung sammeln», erzählt uns Bina. «Von Anfang an kam mir meine Zeit im SOS Kinderdorf zugute, da es mich gelehrt hat, wie wichtig es ist, Menschen in Not zu unterstützen.» Bis heute, seit nunmehr 32 Jahren, arbeitet sie in diesem Spital: Eine Zeit, die sie als äusserst aufregend und erfüllend beschreibt. «Nach einigen Jahren wechselte ich in die Gynäkologie und anschliessend in die Entbindungsstation, was ich als sehr bereichernd empfand.» Nach ihrem späteren Bachelor-Abschluss hatte Bina sogar die Möglichkeit, in der Transplantationsstation zu arbeiten,
was ihre Fähigkeiten noch mal um eine ganz neue Dimension erweiterte. Ihre wahre Berufung wurde jedoch das Geburtshaus: «Das ist ein Ort, an dem ich ein tiefes Gefühl von Sinn und Zufriedenheit empfinde. Es bedeutet mir sehr viel, Müttern in den wichtigsten Momenten ihres Lebens beizustehen.»

Eine ausgezeichnete Leistung

Trotz ihrer jahrelangen Erfahrung im Tribhuvan Universitätsspital stellte die Corona-Pandemie im Jahr 2020 auch Bina vor riesige Herausforderungen. «Zwischenzeitlich musste ich mich um fünf Abteilungen kümmern, während der zweiten Welle kamen zahlreiche, für uns neue Aufgaben hinzu. Trotz der Belastung setzte ich mich immer dafür ein, die bestmögliche Versorgung zu bieten.» Binas Leistung blieb nicht unbemerkt. 2022 wurde ihr von der ehemaligen Präsidentin Nepals, Bidhya Devi Bhandari, der renommierte Preis «Maha Ujjwal Rastriya Deep» verliehen. «Das war ein für mich unvergessliches Erlebnis und der Beweis für den Einfluss, den ich in meiner Gemeinschaft und dem Bereich, der mir am Herzen liegt, ausüben konnte.» Diese Anerkennung hat Bina in ihrer Berufung bestätigt. Sie ist dankbar für den Weg, den sie gegangen ist. Bina hat bis heute ein enges Verhältnis zu ihren SOS-Familienmitgliedern.

 

«Sie bedeuten mir sehr viel und haben einen besonderen Platz in meinem Herzen.  Das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, fühlt sich an wie mein eigenes Zuhause, und es ist herzerwärmend zu sehen, wie meine Kinder meine Mutter und Tante dort besuchen.» Darüber hinaus engagiert sich Bina aktiv als Schatzmeisterin in der SOS-Alumni-Vereinigung in Sanothimi. Es ist ihr wichtig, Teil von SOS-Kinderdorf zu bleiben. «Auf diese Weise kann ich etwas zurückgeben und sicherstellen, dass jedes Mitglied der SOS-Familie die Hilfe erhält, die es beim Übergang ins Erwachsenenleben braucht.» Auf die Frage, was SOS-Kinderdorf grundsätzlich ausmacht, hat Bina sofort eine Antwort parat: «Der Kernauftrag, das Leben der Menschen positiv zu verändern, darf niemals in Frage gestellt werden. Die Leidenschaft und die Hingabe, anderen zu helfen, sollten immer im Mittelpunkt stehen.» Eine Botschaft, die wir so auch nach 60 Jahren SOS-Kinderdorf Schweiz für die nächsten Jahrzehnte unterschreiben können. Zugleich ist der Werdegang von Bina auch ein eindrücklicher Beweis, was die liebevolle Betreuung und bewusste Förderung von Kindern und Jugendlichen bis in ihr Erwachsenenleben hinein bewirkt.

Inhaltsverantwortlich:

David Becker

Wenn ich Content in Wort und Bild erarbeite, begeistert mich das grosse Ganze und berühren mich die feinen Details.

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