Was macht gute Eltern aus?

22.04.2025 Betreuung & Schutz

Sind gute Eltern die, die ihre Kinder nie anschreien? Immer selbst kochen und nie schimpfen? Deren Kinder aufs Wort gehorchen und immer um 20.00 Uhr ganz allein einschlafen? Mit Nadine Chaignat und Mirjam Jost von Mamas Unplugged sprechen wir über die Tücken der guten Elternschaft.

Wir fangen gleich mit dem Fazit an: Was sind ‚gute Eltern‘?

Gute Eltern, dieser Begriff ist ja so gefüllt mit Vorstellungen, die wir von irgendwo herhaben. Der Gesellschaft, unseren eigenen Eltern, oft wissen wir auch gar nicht genau, woher unsere Überzeugungen über gute Elternschaft kommen. Spannend ist darum, die Frage aus Sicht der Kinder zu beantworten.

Was brauchen Kinder, um möglichst gesund gross zu werden?

Sie brauchen ein sicheres Umfeld, für welches die Eltern verantwortlich sind. Sie brauchen Zuwendung und Liebe, die an keine Bedingungen gebunden ist. Sie brauchen ein Entwicklungsumfeld, in dem sie Verhaltensweisen ausprobieren können. Sie brauchen Begleitung in der Entwicklung ihrer Emotionsregulation. ‘Gute Eltern’ versuchen ihr Bestes, um dies zu gewährleisten.

Was ist, wenn ich mein Bestes gebe, aber diese Anforderungen nicht erfüllen kann?

Es gibt auch Umstände, unter denen Eltern dies nicht gewährleisten können. Fragen wie: Wie geht es den Eltern selbst? Können sie gut zu sich schauen, damit sie sich selbst regulieren können und aus dieser Ruhe heraus die Kinder begleiten? Wie sehen die elterlichen Finanzen aus? Wie können sie neben der Erwerbsnotwendigkeit die Kinderbetreuung garantieren? Wie sieht ihr soziales Umfeld aus?
Erziehung und Begleitung ist ein tief politisches Thema. Die oben genannten Dinge, welche die Kinder brauchen, um gesund aufzuwachsen, liegen nicht nur in der Verantwortung der Eltern, sondern der gesamten Gesellschaft. Kinder sind die zukünftigen Träger und Gestalter der Lebensbedingungen, unter denen die nächste Generation heranwachsen wird.
Ich erlebe in meinem Beruf als Psychotherapeutin vor allem, dass die meisten Eltern sich grosse Mühe geben und ihren Kindern Wohlbefinden und gute Entwicklung geben wollen. Es gibt tatsächlich Menschen, die nicht gut zu ihren Kindern schauen, die – warum auch immer – ihre Kinder verachtend und respektlos und abwertend behandeln. Doch dies hat meist einen Grund und kommt selten vor. Die allermeisten leiden darunter, wenn es ihren Kindern nicht gut geht und sie nichts machen können, das hilft.

Wie würde sich die Antwort unterscheiden, je nachdem, ob man Kinder oder Erwachsene fragt?

Eltern sind dann toll, wenn sie Lieblingsessen kochen, freizugängliche Gummibärchenversorgung gewährleisten, unendliche Bildschirmzeit erlauben, überhaupt immer Ja sagen und immer sofort kommen, wenn sie gerufen werden.
Spannend ist ja, dass Erwachsene oft andere Aspekte im Blick haben als die Kinder. Es gibt Befragungen von Eltern und Kinder, die dies herzerwärmend zeigen: Erwachsene beantworten die Frage ‘Mit wem wollen Sie unbedingt ein Abendessen verbringen?’ mit berühmten Personen. Die Kinder geben als Antwort auf diese Frage an, dass sie mit ihren Eltern Zeit verbringen wollen. Dies zeigt schon den Fokus, den Kinder haben: Sie brauchen ihre Eltern und wollen Zeit vor allem mit ihnen verbringen – dort sind sie sicher und gehalten. Werden gesehen und geliebt.

Woran erkenne ich denn bei Kindern allenfalls selbst, dass ich «einen guten Job als Mami oder Papi mache»?

Wenn die Kinder sich selbst sein können. Wenn sie entsprechend ihrem Charakter, ihrer Persönlichkeit, ihren Fähigkeiten und mit ihren Schwächen leben dürfen und darin meist zufrieden sind. Dass Kinder nicht immer angepasst sind, sich herausfordernd verhalten, ist normal und gesund. Sie müssen so viel lernen und wissen noch nichts darüber, wie das geht. Kinder mit Eltern, die einen ‘guten Job’ machen, zeigen die ganze Palette der Gefühle: von tieftraurig zu wütend zu fröhlich und zufrieden. Sie dürfen sich selbst sein und werden darin angeleitet, wie sie sich regulieren und anpassen und andererseits für sich einstehen und kämpfen, wenn das notwendig sein sollte.

«Ich wünschte, ich hätte andere Eltern.» «Du bist der dööfste Papi.» Hört irgendwann Jede:r mal. Wie reagiert man darauf?

(Nadine lacht) Haha, die dümmste Mutter der Welt bin schon ich. Zumindest haben mir heute alle vier Kinder zu verstehen gegeben, dass sie mit mir als ihre Mutter sehr unzufrieden sind.
Wir finden, dass Kinder uns als Eltern total doof finden dürfen. Wir sind ja nicht dazu da, sie stets umfassend glücklich zu machen. Wir müssen das Doofsein aushalten können. Tun wir das nicht, geraten wir in eine ungute Abhängigkeit von der Meinung unserer Kinder über uns. Wir müssen das auch nicht persönlich nehmen - was nicht heisst, dass das immer gelingt.
Meist steckt hinter solchen Aussagen ein für das Kind herausforderndes Gefühl: Enttäuschung, Ärger, Traurigkeit, Hilflosigkeit, Verzweiflung darüber, dass etwas nicht so ist, wie es sich das Kind gewünscht oder erhofft hat. Diese Gefühle dürfen sein und das Kind braucht Hilfe dabei, sie auszuhalten und zu regulieren. Da hilft es so fest, wenn Eltern ihre eigenen Gefühle gut regulieren können, damit sie möglichst ruhig bleiben. So können sie das Kind anleiten. Beispielsweise mit Worten, welche die Worte des Kindes validieren: ‘Ou, ich merke, du bist wütend auf mich. Das darfst du sein, weil du bist enttäuscht (entsprechendes Gefühl benennen) von mir, weil ich das und das gemacht oder gesagt habe.’ Dazu darf man auch ein ‚Ich möchte aber nicht, dass du mich doof nennst!‘ nachschieben.
Menschen sind ja sehr schlecht zugänglich für den Appell an die Vernunft, wenn wir in starken Gefühlen stecken. Heisst, erst geht es darum, Sicherheit zu vermitteln, damit das Kind zur Ruhe zu kommt. Danach kann man zusammen über die Situation reden und wie man die anders gestalten könnte, wie sich das Kind anders ausdrücken könnte.

Auch die besten Eltern machen mal Fehler. Was ist ein guter Umgang damit?

Wer von sich erwartet, möglichst keine Fehler zu machen, lebt doch in einer ständigen Angst und Unfreiheit. Umso leichter wird es, wenn wir uns zugestehen, dass wir unseren Mitmenschen und unseren Kindern nicht immer gerecht werden können. Dass unser Verhalten dazu beiträgt, dass sie traurig sind, enttäuscht oder verletzt. Das Leben bringt immer mal wieder so viel auf einmal, dass wir davon müde werden und nicht so agieren oder reagieren, wie wir gerne würden.
Ein guter Umgang ist, dass wir uns selbst verzeihen. Dass wir uns Verständnis zusprechen, warum wir uns verletzend verhalten haben. Dazu das Wissen: (Unter-)Brüche in der Beziehung gehören zum normalen menschlichen Miteinander dazu. Sie fühlen sich nicht gut an. Aber das gemeinsame Erleben solcher Momente ist dann tief und wunderbar, wenn wir uns für unser Fehlverhalten entschuldigen können und erleben, dass das Gegenüber uns grosszügig vergibt.  Brüche lassen sich so heilen. Wir leben unseren Kindern vor, dass wir über unser Verhalten nachdenken, dass sie uns wichtig sind, dass wir Verantwortung für unsere Worte und Handlungen übernehmen und sie respektieren als vollwertiges Gegenüber. Ausserdem lernen Kinder am besten am Modell: Ihnen vorleben, wie man dies alles macht, ist viel effektvoller als die besten Worte.

 

 

Mehr über Mirjam, Nadine und Mamas Unplugged erfahren Sie hier.

Inhaltsverantwortlich:

David Becker

Wenn ich Content in Wort und Bild erarbeite, begeistert mich das grosse Ganze und berühren mich die feinen Details.

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